01.11.13

Wenn es sich schon 'Coaching' nennt, unterscheide ich vier Angebotsbereiche

Was ich heute zeigen möchte, lässt sich während einem Termmin bzw. Setting mit einer begleitenden Person nicht so deutlich abgrenzen und unterscheiden. Ich lasse es offen, ob vielleicht alle vier Formen zur Entfaltung kommen. Dennoch finde ich es hilfreich, wenn Sie die vier Angebote für Ihren Auftrag unterscheiden können.

Sämtliche Aussagen gelten für alle Menschen und für beide Geschlechter. Ich danke für das Verständnis.

Ich unterscheide vier Formen von Angeboten:
  • Therapie
  • Coaching
  • Heilpraktizieren
  • Training

Ziel dieses Beitrages ist es, eine Basis an Kenntnis zu schafffen, die dabei helfen kann, mit entsprechenden Anbietern (Therapeuten, Coaches, Anwendern und Trainern) ein bedürfnisorientiertes Gespräch zu führen, so dass Sie einen optimalen Entscheid bezüglich der Wahl des Angebotes machen können. Beim Buchen eines Angebotes entsteht mE sozusagen 'immer' ein Verhältnis von Nutzen und Aufwand (Zeit + Kosten). Und darüber hinaus unterscheiden sich die vier Verfahren auch darin, ob der Aufwand eine bleibende Investition in mich selber wird, oder eher eine momentane Konsumation. Aber das will ich je Form klären. 



Therapie (Wiki)

Der für mich wichtigste Aspekt zur Unterscheidung zwischen einem Coaching und einer Therapie, ist, dass eine Therapie zwar eine 'neue optimalere subjektive Wirklichkeit' zum "Ziel" hat, aber damit alles offen lässt, also nicht wie bei einem Coaching ein klares Ziel definiert (z.B. Ich suche eine neue Stelle). So kann jemand, der sich z.B. in eine Gesprächsberatung begibt, einfach mal darauf einlassen, ohne vorher zu wissen oder zu ahnen, was an Erkenntnis mit der Zeit zum Vorschein kommt. Wenn dann der Klient eine Veränderung für sich erkennen kann, nennt man das in der Fachsprachen einen "Shift". Der Klient macht einen shift - eine Art Ortsverlegung / Rutscher. Der Klient ist nicht mehr am Punkt seiner Ausgangslage, sondern einen oder mehrere 'Schritte' weiter. ABER: Nicht zwingend in Richtung eines "definierten Zieles" (one-way), der Klient kann sich in jede denkbare Richtung 'verschoben / verändert' haben. Das hat eine sehr heilbare Wirkung, da es die subjektive Wirklichkeit des Klienten optimiert, er also damit besser leben kann. Ein Beispiel: Der Klient hat traumatische Erlebnisse mit seiner Mutter. Zu Beginn ist das für ihn problembeladen (vor dem shift). Dank der Therapie findet der Mensch einen besseren Zugang zu sich oder zum Thema oder zu  Mutter oder zu seinem Leben oder zu Partnerinnen, etc. - es bleibt also weitgehend offen, wohin die Reise geht, wichtig ist, das die Reise wohin geht. 
Ebenfalls wichtig und vom Aufwand für die Therapie her gesehen wichtig: Der Klient weiss immer besser über sich selber Bescheid, ein Wissen, dass ihm bleibt, welches also nicht verloren gehen kann, sondern welches wie ein Fundament dazu dienen kann, seine Menschwerdung und sein Leben weiter aufzubauen. 

Coaching (Wiki)

Coaching bleibt für mich 'Zielorientierte Hilfe zur Selbsthilfe'. Was der Kunde (als Coachee) im Coaching für sich erarbeitet, hat er möglichst selber entwickelt, kann er verstehen, erklären, in Zusammenhänge bringen und als Selbsterkenntnis für die aktuelle und für zukünftige Situationen behalten bzw. nutzen. Der  Coachee will sich verändern, definiert hierfür ein konkretes (operationalisierbares = messbares) Ziel und beginnt, sich selber da hin zu 'erarbeiten'. Wichtig dabei: das Erreichen des Entwicklungszieles im Innen wie im Aussen seiner Situation, basiert dabei auf erkannten Kompetenzen (Ich-/Selbstkompetenzen -> Sozialkompetenzen -> Führungskompenzen (Leadership) -> Methodenkompetenzen (Tools & Skills). Der Hauptprozess ist die Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis, eine Art reflexives Erkennen von sich selbst. Darauf basierend entwickelt der Coachee ein Wissen und Wahrnehmen über sich selbst, welches, wie bei der Therapie, sein Eigenes wird, welches nicht verloren geht. Der Aufwand (Kosten & Zeit) für ein Coaching ist mE eine Investition in sich selbst, die im Sinne einer 'Investition' eine Basis zu einer Schöpfung von Mehrwert wird. Neue Erkenntnissse und Selbstkompetenzen ergeben neue Stellen, neue Aufgaben, mehr Lohn, mehr Verantwortung, mehr Freude am Leben, bessere Führungsleistungen bzw. Leadershipqualitäten, höhere Sozialkompetenz und mehr Authentizität bis hin zu Charisma. 
Für mich wichtig: Ich begrüsse es weitaus mehr, wenn ein Caoching-Setting auf Methoden der Psychotherapie beruht (Analytik, Transaktionsanalyse, Sokratisches Fragen, Personenzentrierter Ansatz, etc). Begründung: Damit werden beim Coachee jene Denkprozesse gefördert, die ihn zur Selbsterkenntnis gelangen lassen. Diese Erkenntnisse sind das A und O für den Kompetenzgewinn, sie sind die Essenz der Investition (Geld & Zeit). Natürlich kann ein Coach mit etwas Theorie Zusammenhänge klären, doch dann ist es wieder der Coachee, der mit dem Input sich selber erkennt und sich seinen Weg zum Ziel entwickelt, ja sich förmlich hingezogen fühlt. Er weiss dann, warum er dieses oder jenes anstrebt, macht oder auch wichtig: endlich davon ablässt. 
Diese Form von Setting (Arrangement des Zusammeseins während der Begegnung) beschreibe ich gerne als "Raum für uns, in dem möglichst nichts zwischen uns steht, so dass dieser Raum leer, bereit, offen und präsent ist, um für den Prozess des Coachees da zu sein - der Coachee wird durch möglichst nichts in der Selbstfindung und Selbstentwicklung beeinflusst / behandelt / manipuliert / gelenkt. 
Ein ideales Indiz für gewonnene Selbstkompetenz ist es, wenn Coachees ein Coaching abschliessen und etwas Zeit ins Land streicht (Annahme: 6 Monate - 3 Jahre). Dann kommt so ein ehemaliger Kunde und möchte ein nächstes Ziel erreichen. Und nun zeigt sich seine Selbstkompetenz darin, dass die neuen Fragen auf den Fragen und Erkenntnisssen aus dem ersten Coaching darauf aufbauen - es werden nicht wieder die alten Fragen gestellt, als würde man im 'Leiterli-Spiel' wieder von Position 1 anfangen müssen. Dort zeigt sich auch, dass das investierte Geld und die Stunden gewinnbringend eingesetzt wurden. 

Heilpraktizieren oder Methoden in Form von Anwendungen (Wiki)

Während ich oben zu Coaching einen möglichst leeren Raum zwischen Coach und Coachee beschreibe, so dass die Entfaltung des Coachees aus dessen eigenen Ressourcen möglichst allen Platz und Präsenz erhält, verstehe ich 'Methoden als Anwendungen' als etwas, das sich zwischen den Coachee und den Coach stellt. Dieser Umstand stellt sich für mich daher auch sehr umgekehrt dar: Der Coach macht etwas! Eine Methode wird angewendet. Eine Sache, die nicht vom Coachee ausgeht, soll etwas bewirken. Und der Erfolg, den es gibt, lautet: "Danke der Methode XY (NLP / EFT / Hypnose / Familienstellen/ sämtliche Körperarbeiten, wie Massage, etc) konnte dem Klient in 30 Min das Rauchen abgewöhnt werden." 
Diese Formen von Angeboten sind nicht weniger sinnvoll und/oder berechtigt, wie die anderen Angebote. Sie sind mir einzig im Widerspruch mit einer entwickelten und verbleibenden Selbstkompetenz. Ich kaufe etwas, das etwas mit mir macht. Ich lasse etwas auf mich einwirken, um ein Ziel zu erreichen. Damit gebe ich einen Teil von mir in fremde Hände und Mittel. 
Wer heilt, behält Recht. Dieser Grundsatz gilt für diese Formen. Würden sie nicht einen guten und zufriedenstellenden Nutzen erbringen, würden a) nicht so viele Menschen davon profitieren wollen und b) auch nicht so viele Menschen die Methoden "praktizieren" wollen. Es sind einfach die Rollen mehr oder weniger vertauscht und die Investition kann auch zur reinen Konsumation verkommen, was auch Spass bereiten kann. Gehe ich mal in die Massage (Körperarbeit), ist das für mich eine Konsumation. Ich gewinne das tolle Körpergefühl und die Entspannung oder Schmerzfreiheit, aber vom Massieren oder meinem Körper verstehe ich weiterhin wenig. Für ein nächstes Mal brauche ich erneut den Hypnotiseur, den Masseur, den Familiensteller, den Akkupunkteur. - Ok, den Coach brauchen Sie allenfalls auch wieder, aber erneut nur belgeitend, nicht praktizierend, helfend zur Selbsthilfe, nicht helfend als Dienstleistung. 
Praktikerausbildungen sind daher so beliebt, weil man 
a) ein Wissen vermitteln kann, was immer funzt - versuchen Sie einmal ein Können oder eine Kunst zu lehren
b) weil die Lernenden eine Theorie als Rockzipfel zur Hand bekommen, an der man sich festkrallen kann
c) weil es eine verbreitete Bedürftigkeit dafür gibt, andere heilen zu wollen
d) weil eine solche Theorie und Praxis beschreibbar, lehrbar und prüfbar ist, was das Kurswesen vereinfacht
e) last but not least, der Klient seine Verantwortung an die Methode abgeben kann. Passt es nicht, liegt es
    an der Methode, oder am Praktiker oder sonst der Welt. Nur selber übernimmt man nicht, getreu dem
    Motto: Da werden Sie geholfen. 

Training - Schulung - Ausbildung (Wiki)

Auch hier kann bisweilen von "Coaching" gesprochen werden. Training, Schulung, Ausbildung ist ein unheimlich weites Feld. Doch wovon ich hier schreibe, damit meine ich das Erlernen, Üben, Prüfen, Steigern.
Es ist eher ein kognitiver, also kopflastiger Strukturprozess, so wie wir es von Schulen und Lehrgängen kennen. Hier ist das Ziel, eine Methode zu erlernen und sie per Üben immer besser anwenden zu können. Ich lerne vielleicht Gitarre spielen, oder eine Fremdsprache. Ich kann auch Führungsmethoden "lernen", doch ohne Selbstkompetenz, die es mir möglich macht, meine Sozialkompetenz einzuschätzen, werde ich nicht in der Lage sein, mein ganz eigenes Führungsverhalten situativ zu erkennen und verstehen, auf das hin mir sämtliche Führungsstile der Theorie nichts nützen, zwar erlernt und bekannt, aber nicht in ein Verstehen eingebunden, welches auf erkenntnistheoretischen Kompetenzen beruhen kann. Ich bleibe ein Fachidiot, habe aber null Flair, Ahnung, Erfahrung noch Vermögen. Das ist so, wie jene, die in der Tanzschule auf dem Elite-Niveau in Kursen tanzen, also alle Traininglevel schon durchschritten haben, aber beim Tanzen immer noch zählen. Rhythmus ausm' Becken heraus ist nicht trainierbar. 

Mein Credo: 
Wenn Sie gebildet sind, bedeut das nicht, 
dass Sie auch schon entwickelt wären. 
Jona Jakob, 2008

Dieser Blogbeitrag ist von mir geschrieben und daher subjektiv. Er ist auch nicht vollständig, da über alle vier Gebiete viel mehr geschrieben werden müsste. Der Blogbeitrag ist dazu da, dass a) Sie sich ein grobes Bild und ein paar eigene Gedanken machen können, womit Sie allenfalls Geld und Zeit in sich selber investieren möchten, und b) ist der Beitrag dafür da, meine Position, mein Verstehen, was Coaching ist, im zweiten Punkt zu überdenken, deutlich zu machen und mich in dieser Position verstanden fühlen zu können. Das ist mir wichtig und Sie haben nun jede Freiheit, sich zu orientieren. 

Herzlich

Jona Jakob

consensus-coaching.com
Zürich Bern Frankfurt